Kategorie-Archiv: Auf Deutsch

Texte auf Deutsch

Lago Titicaca

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Kurz vor Puno ein letzter Pass und dann lag er vor mir: bayrisch blau-weiß glitzernd, der Lago Titicaca. Himmel und Erde fließen ineinander im unendlichen Blau, und nach den alten Legenden mischte sich hier das Göttliche unter die Menschen: nach Myriaden der Dunkelheit die Wiedergeburt der Sonne aus einer Felsmulde auf der Isla del Sol, später der Geburtsort der Götterkinder Cápac und Occlo, Stammeseltern der Inkas.
Die 5000 Einwohner dieser Insel ehren ihren heiligen Boden noch immer mit siebenjähriger Brache nach siebenjährigem Anbau von Quinoa, Mais und Kartoffeln; erst seit fünf Jahren gibt es Strom auf der nun auch touristisch erschlossenen Insel.
Durch heftige Wetterwechsel von mediterraner Sonne auf Hagel mit Temperaturschwankungen von 20ºC folgte ich dem sanften Auf und Ab des Westufers, gesäumt vom gelben, zähen Totora-Schilf, das die Aymara, brusthoch im Wasser, für ihre Behausungen schneiden.
Auf den Spuren eines Kindheitshelden besuchte ich in Huatajata Pablo Esteban Limachi, den besten Schiffsbauer der Welt – der Mann, der für T.Heyerdahls Expeditionen die Binsenboote baute, unter anderem die Ra-II. Heute ein in und von der Vergangenheit lebender aufgeschlossener 80jähriger, der bei seinem Erzählen von seinen Konstruktionsplänen, von seiner Arbeit im heutigen Irak und in Norwegen immer wieder in den weichen Singsang des Aymara verfiel.
Bald nach unserem freundlichen Abschied, unmittelbar nach einer kleinen Biegung, erhoben sich vor mir, zum Greifen nah, die schneeweißen Berggipfel der Cordillera Real über der sandigen Hochebene, die ich bis zur staubigen Stadteinfahrt von La Paz durchquerte. Am frühen Nachmittag fand ich mich wieder mitten im brodelnden Verkehrschaos dieser widersprüchlichen Metropole, faszinierend in ihrer einzigartigen Mischung von indigenem Flair, bitterer Armut und gläsernen Hochhäusern, umgeben von Wüste und Bergen. Ich konnte es kaum erwarten, bereits am nächsten Morgen meine Mutter und meinen Bruder in die Arme zu schließen.
Seit Cusco habe ich 710km und 2950 Höhenmeter zurückgelegt.


Copyright GoogleMaps

Im Altiplano

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Nach Cusco ging’s noch einmal hoch auf 4300m, bevor ich über den Abra La Raya sanft in die karge Schönheit des Altiplano rollte: endlose Weiten mit Bergen am fernen Horizont, gelb leuchtendes Steppengras, und für zwei Tage zeigten nur der stetig ansteigende Kilometerstand und die wandernden Schatten ein Vorankommen an – „zum Raum wird hier die Zeit“.
Es war um das kuriose Fest des Allerheiligen, abends in Sicuani plünderten Heerscharen verkleideter Kinder die Bonbon-Bestände der Kleinstadt, tagsüber passierte ich unzählige reich mit Plastikblumen und farbigem Popcorn geschmückte Gräber am Straßenrand. Einwohner luden mich zur bierseligen Feier auf die Friedhöfe, ein zweitägiger Rausch, in dem der Tod als Teil des Lebens angenommen wird, aber in einer Feier des Lebens. Man stelle sich das auf deutschen Friedhöfen vor.

Cusco und das Heilige Tal der Inkas

Cusco gilt, mit Machu Picchu, als der Höhepunkt jeder Perureise. Tatsächlich gibt es hier mehr Touristen als Einheimische; ich bin den Anblick all dieser etwas vergrämten Bleichgesichter gar nicht mehr gewohnt. Zugegeben ist Cusco mit seinen grünen Plätzen, der Kolonialarchitektur der weitläufigen Privathäuser und Kirchen, den luxuriösen Läden eine schöne Stadt. Aber es hat mit dem Peru, das ich in den vergangenen zweieinhalb Monaten kennengelernt habe, mit dem, was dieses Land ausmacht, nichts, rein gar nichts zu tun. Die westlichen Touristen kommen hierher, um ihre eigene Kultur, die der spanisch-europäischen Kolonialzeit, zu bestaunen. Selbst die spärlichen Reste, die hier noch aus der Epoche der Inkas erhalten geblieben sind – eine Handvoll Steine -, werden nach den gängigen Mustern westlichen Marketings, und entsprechend hochpreisig, inszeniert. Wer Choquequirao gesehen hat, kann sich die teuren Eintrittskarten und die Menschenansammlungen der Stätten in Cusco und Umgebung (Sacsayhuamán, Qenko, Písac) sparen.
Lohnend ist aber ein Besuch des Museo de Arte Precolombino: „Der Tag, an dem die Sammlungen ferner Länder die etnographischen Museen verlassen und ihren verdienten Platz in den Kunstmuseen einnehmen, ist nicht mehr fern.“ hat C. Lévi-Strauss orakelt, und dieses Museum löst diesen Anspruch, mit jedem seiner hingebungsvoll beschrifteten Artefakte, ein. Angesichts des fein ziselierten Silberschmucks, der virtuos gehandhabten Keramik, der abstrakt reduzierten Steinplastiken aus den Jahren 800 v.Chr. bis ins 15.Jhd. wurde mir deutlich, wie wenig die Kunst handwerklich vorangekommen ist, anders gesagt, wie sich alles wiederholt, wie sehr die Moderne in alten Spuren wandelt.
Einen schönen Abend habe ich mit Angela, Tino und ihren Freunden verbracht, Bekannte aus meiner Heimatstadt, die gerade vom Machu Picchu zurückkamen.
Mit dem Fahrrad habe ich eine zweitägige Rundtour durchs Valle Sagrado unternommen, das Heilige Tal der Inkas und vormals Quelle ihre Lebensmittel. In einer hintergründigen Ironie des Schicksals versagte mir meine sonst treue Kamera für diese knappe Woche hier ihren Dienst; so bleiben diesmal die Eindrücke nur für mich, die schroffen Berge mit ihren Schneekuppen über der rubinroten, fruchtbaren Ebene bei Maras, die blau-weiße Lagune Huaypo, die weiß leuchtenden Strukturen der 1200 Salztümpel in den Salinas, die nach mehr als 1000 Jahren noch heute unverändert bestellt werden.
Noch warte ich auf die reparierte Kamera, hoffe aber, morgen für die verbleibenden 700km nach La Paz aufbrechen zu können. Bis zum Besuch meiner Mutter und meines Bruders dort sind es noch 8 Tage. I’m now a man on a mission.
MapValleSagrado
170km, 2500 Höhenmeter Copyright GoogleMaps

Choquequirao

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Ein letzter Anstieg und vor uns lag im warmen Licht der Nachmittagssonne die Plaza Choquequiraos, eine leuchtend grüne ebene Wiesenfläche, auf der sich stolz die Steinmauern geräumiger Häuser erhoben, die der Zeit getrotzt hatten. Vor und hinter uns fielen die Hänge steil ab ins Tal, terrassiert in hohen Stufen, die vormals dem Anbau von Getreide, Kartoffeln und Mais gedient hatten, während rechts und links der Sattel weiter anstieg zu höhergelegenen Behausungen und zu dem zentralen Versammlungsplatz, der dank seiner freien Aussicht in alle Richtungen auch zur Sternbeobachtung genutzt worden war. Für diesen Anblick waren wir zwei Tage hierher gewandert, hatten den schweren Rucksack mit der gesamten Campingausrüstung und Verpflegung für vier Tage von Cachora aus für 35km zunächst 1500m abwärts ins Tal des Río Apurimac, dann wieder 1800m aufwärts auf 3000m Höhe geschleppt, hatten der quälenden Hitze beim Aufstieg und den aggressiven Angriffen der Sandfliegen bei jedem erschöpften Stehenbleiben standgehalten, hatten unseren Durst mit gechlortem Bachwasser und teurer Cola gestillt.
Das Wunder dieser Stätte lohnte jede Mühe. Auf einem Gelände achtmal so groß wie das weitaus bekanntere Machu Picchu hatten die Inkas hier einen letzten autarken Rückzugsort im Kampf gegen die Spanier gefunden. Erst 1909 wurde die Siedlung entdeckt; noch immer sind erst 30-40% ihrer baulichen Reste archäologisch freigelegt. Monatlich finden nur 200 Abenteurer den Weg hierher (Machu Picchu: täglich bis 2500 Besucher): wir genossen die erhabene Ruhe, die über den Gipfeln lag. Umweht von ringsum vorbeiziehenden einzelnen Wolken, Wetterleuchten am Horizont, nächtigten wir einsam auf dem erhöhten Platz, bevor wir am nächsten Tag den Rückweg antraten.

Minenstädte

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Von der quirligen Stadt Huánuco auf 1900m führte mich die nächste Etappe wieder hoch in die Berge, hoch auf 4300m. Cerro de Pasco hat mich empfangen, wie es sich für die höchste Stadt der Welt gebührt: mit eisigen 5ºC und kräftigem Hagel, der innerhalb von Minuten einen weißen Teppich auf die karge Steinlandschaft legte. Diese Wetterlage unterstrich passend den Charme der Trostlosigkeit: die grauen Häuserfronten, den schwarzen Teich und das 200m tiefe Loch der hochproduktiven Blei- und Zinkmine direkt in der Mitte der Stadt. Bei meinem Abendspaziergang zur Mine hatte ich eine unliebsame Begegnung mit zwei verwahrlosten Jugendlichen und eine angenehmere mit drei reizenden Polizistinnen, mit denen ich während eines einstündigen Stromausfalls einen Becher ponche trank.
Die Minenerzeugnisse von Kupfer, Blei und Zink der gesamten andinen Umgebung werden in La Oroya weiterverarbeitet, im Sinn der Superlative eine der verschmutztesten Städte der Welt (Blacksmith Report 2007): die Bleiwerte im Blut von Kindern unter 10 Jahren übersteigen das WHO-Limit um das Dreifache, die Wasserversorgung der 33.000 Bewohner ist hochkontaminiert und die Luft enthält 85mal mehr Arsen, 41mal mehr Kadmium und 13mal mehr Blei als generelle Grenzwerte für gesund erachten. Zu meiner Überraschung sah ich das dem freundlich bunten Stadtbild rund um die Schmelzerei nicht an, nur die stark erodierten umgebenden Berge leuchten toxisch schwefelgelb, zuckergußweiß und magentarot.
Ich folgte weiter dem Tal des Río Mantaro, doch keines der spärlichen Dörfer bot Unterkunft. Zum Zelten war es zu regnerisch; es wurde ein langer Ritt durch Nacht und Regen, bis ich nach 140 Tageskilometern in Jauja eine Bleibe fand.
Bis Huancayo war es dann nicht mehr weit. Seit Huánuco bin ich 403km und 4100 Höhenmeter geradelt.

Copyright GoogleMaps

Into the wild

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Einmal mehr durchquerte ich die Cordillera Blanca, diesmal den Südteil von Cátac bis Huallanca, diesmal mit dem Fahrrad und vollem Gepäck. Für zwei Tage kein Dorf, nur die vereinzelten Strohhütten scheuer Bergbauern, nur die grobe Schotterstraße, die auf 4800m anstieg, nur die Berge, am Horizont, dann unter meinen Reifen. Die wunderbare Landschaft belohnte reichlich alle Mühen, die Atemlosigkeit auf dem Pass, die morgendliche Kälte, die beißenden Hagelschauer am Nachmittag. In ihrer Farbigkeit, ihren Aussichten, ihrer Stimmung gehört diese Etappe zu den Höhepunkten meiner Reise, zu den unauslöschlichen Erinnerungen, die mich für immer begleiten werden.
Die beiden verbleibenden Tagesetappen bis Huánuco waren vergleichsweise einfaches Radfahren, auf Asphalt durch das Pampa-Tal des jungen Río Marañón, zwei Anstiege auf knapp 4000m, dann eine 60km lange Abfahrt um 2100 Höhenmeter, die allerdings durch den strömenden eiskalten Dauerregen beschwerlich wurde. Huánuco gilt als die Stadt del mejor clima del mundo, tatsächlich setzte der Regen 10km vor Ankunft aus. Nach der Einsamkeit der vergangenen Tage pulsierendes Stadtleben, westlich gekleidete Menschen, Verkehrschaos und tortilla de verduras. Der concierge meines Hostels in der unmittelbaren Nachbarschaft unzähliger Automatenkasinos und hübscher Damen trug bei meinem Anblick als Berufsbezeichnung wortlos aventurero in sein Gästebuch ein.

Seit Caraz bin ich, den Tagesausflug zur Laguna Churup eingeschlossen, 405km und 6020 Höhenmeter (aufwärts) geradelt.

Copyright googleMaps

The money – My take on it

Papiergeld gehört (mit der Fahrradkette) zu den großen Erfindungen der Menschheit. Als Reisender wird man sich dessen besonders bewußt: ohne soziale Integration in den wechselnden Orten ist man darauf angewiesen, nicht allein auf das Wohlwollen anderer angewiesen zu sein. Geld ist da oft das Medium der ersten Interaktion. Manche der mir bislang begegneten ciclistas waren der Meinung, aufgrund ihrer sportlichen Leistung und szsg. ihrer Ausgesetztheit einen speziellen Anspruch auf Gastlichkeit zu haben. Das ist genauso wenig richtig, wie die Haltung mancher Bettler (vor allem in den Städten), ihre finanzielle Armut verleihe ihnen ein moralisches Anrecht auf meinen unterstellten Reichtum.
Wer etwas verdienen will, muß in irgendeiner Form über sich hinaus leben, muß für einen anderen einen Mehrwert schaffen. (Wenn Ihnen dieser Blog etwas bedeutet, denken Sie doch mal über eine Paypal-Spende nach, s. Sponsoring). In den abgelegenen Dörfern, die ich in den vergangenen Tagen besuchen konnte, ist -nach meiner Beobachtung- vor allem dieser Tauschcharakter des Geldes präsent: das Geld selbst wird eigentlich als wertlos betrachtet, und zirkuliert wie Spielgeld der Kinder in geschlossenem Kreis vom Bäcker zum Gemüsehändler, zum Friseur, zum Restaurantinhaber… Die Idee vom Zins, daß das Geld gewissermaßen für sich arbeitet, ist hier sympathischerweise sehr fremd. Wider meine Erwartung wird selbst auf Märkten kaum gehandelt, die Dinge haben ihren akzeptierten Preis, der auch für mich den Fremden der gleiche ist.
Dieser Beitrag ist zu seinem Geburtstag meinem Bruder Andrej gewidmet.

La Corrida

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Das kleine Dorf Tulgo durchquerte ich gerade zum fulminanten Abschluß des Festes der Virgen de la Misericordia – im Kreis einfacher Holzaufbauten fand eine Corrida statt:
Ein Tanz in Staub und Licht, ein ernstes Spiel von ergreifender Eleganz, in seiner vibrierenden Energie, seinem Ringen und Schmerz ein Abbild des Lebens und seiner prekären Verletzlichkeit. Leidenschaftslos, eher wie ein natürliches Ritual, tötete der Torrero den letzten der vier Stiere mit einem Stoß seines Degens in den Schulterbereich, erst beim fünften Versuch und unter den entrüsteten Rufen der Menge: que no le hagas sufrir! Das Tier knickte stumm in den Vorderhufen ein und sank in den Staub.
Ich radelte noch am gleichen Abend weiter nach Mollebamba.

Las Minas

Diese Diashow benötigt JavaScript.


Nach Huamachuco ging der Weg bald in eine staubige Sandbahn über, durchsetzt mit grobem Schotter. Sobald diese Piste etwas ansteilt, dreht das Hinterrad im Leeren; Abfahrten werden zur Rutschpartie. Diese Verhältnisse reduzierten meine Tagesleistung in den folgenden Tagen bis Pallasca auf 30-40 hart erkämpfte Kilometer in Höhen von 3000-4000m.
Mein erstes Nachtlager war ein Haus in den Bergen, mit Latrine und Fußboden aus festgestampfter Erde, und einer Familie von herzlicher Gastlichkeit. Zugleich beherbergte sie Transporteure von Explosivgut, die ihre Lastzüge in einer Art Wagenburg vor dem Haus verkeilt hatten; nachts patrouillierten in wechselnder Schicht vier schwer bewaffnete Soldaten – ich habe wahrscheinlich noch nie so gut bewacht geschlafen.
Der Sprengstoff war für eine der vielen Gold-, Silber- und Kupferminen bestimmt, die ich am nächsten Tag passierte. Ganze Berge der Umgebung sind terrassiert freigelegt. Man muß dazu wissen, daß 60 Prozent der peruanischen Exporte auf die Minenindustrie (Zahlen von 2005) entfallen, 8 Prozent auf landwirtschaftliche Exporte. Anders als in Ecuador sind viele der Minen noch im Besitz lokaler Kooperativen.

Huamachuco

Diese Diashow benötigt JavaScript.


In Huamachuco hatte ich durch den Kontakt einer befreundeten Familie in Deutschland Gelegenheit, die Escuela Democratica zu besuchen. Diese Schule verfolgt ein interessantes Konzept: die derzeit 25 Kinder zwischen 6 und 11 Jahren wechseln frei zwischen verschiedenen „Lernstationen“, mit Lehrern besetzten Tischen, hin und her, basteln oder spielen Fußball. Ich lernte Sechsjährige kennen, die bereits lasen und einige Worte Englisch beherrschten.
Weiterhin suchte ich wegen fortwährender gesundheitlicher Beschwerden ein medizinisches Labor auf: Einzeller waren monatelang meinen antibiotischen Attacken entkommen. Jetzt werden andere Geschütze aufgefahren…