Tomorrow never dies – Zum Ende des Yasuni-Projekts

„Ich bin eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“
Ö.Horvath

Noch in Südamerika erfuhr ich’s gerüchteweise, nun ist es amtlich: die Yasuni-Initiative ist gescheitert. Es war die einzigartige Offerte Ecuadors, gegen eine finanzielle Beteiligung der Weltgemeinschaft das im Yasuni-Nationalpark, einem der artenreichsten Bioreservate der Erde, entdeckte Öl im Boden zu lassen. Ich habe darüber vor knapp einem Jahr berichtet („A dangerous flirt“). Hier ein offener Brief an einen der Funktionäre, die das Projekt torpediert haben; ich nenne ihn Dirk.

Hallo Dirk,
du hast sicher schon früher und nicht erst aus der Zeitung vom Ausgang der Yasuni-Initiative erfahren, zu deren Scheitern du erfolgreich beigetragen hast. Damit geht eines der artenreichsten Bioreservate unseres Planeten für immer verloren. Wie geht es dir?
Ich weiß ja, Dirk, du hast deinen Job nie gewollt, du wolltest den Posten abschaffen, bevor er dir in der parteipolitischen Stellenrochade zufiel. Und ich kann mir vorstellen, wie schwer es ist, für etwas zu arbeiten, zu dem man sich nicht berufen fühlt. Es ist schon okay, wenn man dann ordentlich Schmerzensgeld kassiert.
Weißt du, Dirk, viele Menschen sagen ‚wir wollen eigentlich ganz anders leben, aber wir können nicht‘, und Politiker sagen dann: der Sachzwang. Ich denke, wir geben unseren Kopf oft zu früh ab. Und des konni ned hoam: jeder ist verantwortlich für sich, für das was er tut, für das was er nicht tut. Und oft ist, wie in deinem Fall, letzteres bedeutsamer.
Vielleicht hast du recht, Dirk: auf das bißchen Regenwald kommt’s auch schon nicht mehr an. Wo kommen wir denn hin, wenn wir anfangen, irgendwelche Schwellenländer am Amazonas dafür zu bezahlen, daß sie etwas nicht tun? Und Superlative kann man überall hinkleben, auch ich habe die 2.274 Baumarten, die 593 Vogelarten und die 100.000 Insektenarten pro Hektar nicht gezählt. Dagegen hängt in Deutschland jeder vierte Arbeitsplatz direkt oder mittelbar an der Automobilindustrie, das ist unsere Wirklichkeit, wir brauchen das Öl, und die Leute sollen deutsche Autos fahren, damit es uns gut geht. Auch die Kanzlerin blockiert ja seit Jahren angemessene europaweit geltende Abgasnormen, wo es doch sonst für alles eine EU-Norm gibt.
Dafür schicken wir dann jedes Jahr Abiturienten auf den Selbsterfahrungstrip in die armen Länder dieser Welt, die dort Brunnen bohren, Waldlehrpfade anlegen und Bäume pflanzen. Einige habe ich auf meiner Reise auch getroffen.
Du erlaubst eine kurze Nebenrechnung: ein Barrel Öl produziert etwa 433kg Kohlendioxid. Man vermutet im Yasuni-Park 900 Millionen Barrel Rohöl, die dort gespeicherte CO2-Menge beträgt also 389.700.000 Tonnen CO2. Ein Hektar Wald absorbiert jährlich 10 Tonnen CO2. Wenn Du der Menschheit noch etwas Gutes tun willst, Dirk, dann fang doch schon mal an zu pflanzen.
Denn weißt Du, Dirk, irgenwie hänge ich noch immer an der alten Idee, daß Politiker gewählt werden, nicht um die Wirklichkeit einfach hinzunehmen, sondern um Wirklichkeit zu gestalten. Sonst tun das andere.