Im argentinischen Sommer

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… so ein Sommer wie er früher einmal war…

Ich hatte den Weihnachtsabend sehr schön mit dem Schweizer Ehepaar Monika&Robert grillend auf dem Campingplatz in Salta verbracht: die beiden beradeln seit neun Jahren die Länder dieser Welt, das Unterwegs-Sein wird da vom Sehnsuchts- und Sinnbild der Unbeständigkeit unseres Lebens zum Leben selbst, Erfahrung setzt sich an wie Zahnstein, und im Kaleidoskop der Erlebnisse entsteht das vielgestaltige Bild des Menschen in der Welt.
Am nächsten Morgen brach ich auf, gen Süden, stille Ortschaften, schmucke Häuschen, Weinanbau – und eine irrsinnige Hitze, die sich in den kommenden Tagen auf Temperaturen bis 46°C steigern sollte. Sie lähmt die Glieder, trübt die Sicht und mit glühendem Schädel rettest du dich in einen Kiosk am Weg, kippst wahllos kühles Zuckerwasser oder Sojasaft, 4-6 Liter am Tag, dazu 6-9 Kugeln Eis.
Nach einem Straßendorf mit dem großspurigen Namen Alemania tauchte ich ein in die rötlichen Felslandschaften des Valle de Lerma, schroffe Formationen, in denen sich bizarre Gestalten zeichnen. In der Garganta del Diablo, dem Teufelsschlund, traf ich auf Olga&Guilermo, die in Ayacucho eine kommunitäre Granja unterhalten, den Anbau der Tabakmonokulturen in Argentinien bekämpfen, sich für eine neue Landverteilung engagieren, in Mexiko eine Fußballschule für Jugendliche aufgebaut haben und in Kolumbien bolivianisches Kunsthandwerk verkaufen. Eine interessante Begegnung mit zwei unverbesserlichen Weltverbesserern, mit zwei Menschen, die nicht bereit sind, sich mit bestehendem Unrecht abzufinden.
In der anbrechenden Dämmerung, 20km vor meinem Tagesziel Cafayate, ein Rattern, das mir durchs Mark ging: der Freilauf meines Hinterrads blockiert, ein Problem, das ich mit meinen bescheidenen Bordmitteln nicht lösen konnte. Wo die Not am größten ist, ist Hilfe nicht weit, und Gott sandte mir seinen fähigsten Mechaniker, Matteo, einen breiten und geduldigen italienischstämmigen Argentinier. Gemeinsam zerlegten wir am nächsten Morgen die Radachse, reinigten die Ritzelkassette vom Schmutz der 7200km, schmierten die Lagerkugeln und ordneten die filigranen Plättchen des Freilaufkörpers, die Kraft in Drehbewegung umsetzen.
Mit dem neuen Antrieb (und einem guten Rückenwind) flog ich nur so dahin, nun auf der berühmten Ruta 40, die ganz Argentinien bis Feuerland durchquert. Am Nachmittag erreichte ich die Ruinen von Quilmes, einst Wohnstätte von 6000-8000 Cachaquis, heute die größte archäologische Anlage Argentiniens, bekannt durch die gleichnamige Biermarke. Die tapferen Bewohner widerstanden den Inkas und mußten sich erst im 17.Jahrhundert den Spaniern geschlagen geben, die sie in einem einjährigen Todesmarsch nach Buenos Aires deportierten.
Ich zeltete in der umgebenden Buschlandschaft. Gegen 22Uhr, in völliger Dunkelheit, galoppierten unvermittelt vier Pferde direkt hinter meinem Zelt im Gesträuch vorbei. Das sind Momente großer Demut, eines einsamen, gebannten Harrens, was weiter geschehen wird. In diesem Fall: nichts. Gewitter am Horizont.
Am folgenden Tag weiter durch die trockene Savannenlandschaft mit den bezuckerten Gipfeln der Aconquija-Kette in der Ferne, ein nettes road encounter, gegen Abend rechtzeitig zu Silvester in Belén.