Durch die weiße Wüste

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If you should go skating // On the thin ice of modern life
Pink Floyd

Um Punkt 15 Uhr hatte mich der Bus in Sabaya abgesetzt, ein paar Häuser im Sand, nichts weiter. Am Vortag war meine Weiterfahrt aus Oruro dem Streik der Busfahrer zum Opfer gefallen, ich hatte den Aufschub genutzt, um noch einmal meine Vorräte aufzustocken: ausgestattet mit 12 Litern Wasser, 10kg Pasta und Reis, 1kg Saucen und Suppen und 2 Litern 96% Alkohol, der mir tatsächlich als trinkbar verkauft wurde (mir aber nur als Brennstoff und zur Desinfektion dienen sollte), stand ich an der Abzweigung zum Salar de Coipasa, eine stark gewellte Sand- und Schotterpiste, das berüchtigte bolivianische Waschbrett. Mein Abschied vom Asphalt für zwei Wochen. Die Schwierigkeiten, die mich in den nächsten Tagen herausfordern sollten, waren schnell angespielt: die starke Sonne, der heftige Frontalwind aus Süd-West und der auf der versandeten Huckelpiste unweigerlich zu Boden gleitende Gepäcksack. Wie im richtigen Leben auch neigen die Dinge dazu, sich gehen zu lassen, und nur mit ständiger Anstrengung (hier etwa alle 100m) halten wir die stetig anwachsende Entropie im Zaum. Erst am dritten Tag gelang es mir, mit einem ausgetüftelten Schnürsystem die Perioden erforderlicher Wartung auf Kilometer zu verlängern.
Für die erste Nacht fand ich Windschutz in einem geschlossenen Kreis aufgeschichteter Steine, die beim Verladen des Gepäcks am nächsten Morgen unter mir nachgaben und mich mit dem Proviantsack unter sich begruben: mit kleineren Schürfungen, Nudelmehl und Tomaten-Mandarinen-Likör im Rucksack ein gelungener Start ins Abenteuer!
Unverdrossen brach ich auf gen Horizont, den die weiße Fläche des Salars erleuchtete. Beim Näherkommen erwies sie sich allerdings als ein Untergrund von sehr gemischter Tragfähigkeit: eine salzige Kruste, durchsetzt mit groben Rissen und wässrigen Pfützen, deren Spritzwasser das Fahrrad bald mit einer weißen Haut überzog. Zauberhaft schwebend über dem leuchtenden Weiß tauchten lockend kleinere Inseln auf, unbeirrt peilte ich in 30km Entfernung am Ufer ein Dorf mit dem verheißungsvollen Namen Tres Cruces an. Es bestand aus wirklich nicht mehr als drei Kreuzungen – und einem rostigen Windradl, das wohlmeinende Europäer vor Jahren dort als Pumpe fürs Grundwasser installiert hatten. Aufgrund fehlender Ersatzteile wird nun allerdings wieder von Hand gepumpt.
Das Schieben durch die tief versandete Dorfeinfahrt war harte Arbeit; freudig wurde ich von einigen Kindern empfangen, die sofort meine schnell schwindenden Vorräte an Gastgeschenken plünderten. Am nächsten Abend, nach der mühseligen Durchquerung der Halbinsel zum Nordende des Salar de Uyuni, fand sich kein so dankbares Empfangskomitee: just bei meinem Eintreffen in Tahua am Fuß des farbigen Volcán Tunupa fiel die Stromversorgung aus, nur vereinzelte Schatten huschten durch die dunklen Straßen, in einigen Fenstern brannten Kerzen.
Der Salar de Uyuni ist mit einer Flächenausdehnung größer als Niederbayern die größte Salzwüste der Erde. Sein Salz wird seit Jahrhunderten abgebaut und als Baumaterial, aber auch zum Verzehr genutzt. Seit kurzem vermutet man reichhaltige Lithiumvorkommen unter seiner Oberfläche, deren Erkundung gestaltet sich schwierig (s.a. ein aufschlußreiches Interview). Mit einer Zelt-Übernachtung auf der für ihre wunderschönen Säulenkakteen bekannten Isla Incahuasi habe ich diese eindrucksvolle weiße Ödnis in zwei Tagen durchquert.
Mit Einbruch der Dunkelheit gelangte ich am Abend des zweiten Tages nach San Juan, letzte Versorgungsstation vor der Lagunenroute durch die silolische Wüste. Die Suche nach einer Nahrungsquelle führte mich zu einer Abiturfeier, die nach lokalem Brauch mit einer Speisung des gesamten Dorfes begangen wird. Überaus freundlich wurde ich begrüßt und bewirtet. Die Folgeerscheinungen der nächtlichen Völlerei erzwangen dann aber zwei Ruhetage in dem abgelegenen Sanddorf.