Kategorie-Archiv: Argentinia

Über den Paso Jama zurück ins Leben

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Diesmal wußte ich, was auf mich zukam: der Aufstieg zum Paso Jama über die Anden, eine der längsten Steigungen der Welt, 2500 Höhenmeter auf 50km. Seltsam verlängerte sich mein Aufenthalt in der unspektakulären Touristenoase San Pedro von Tag zu Tag, morgens Avena-Frühstück, mittags zwei köstliche Gemüse-Empanadas auf dem Markt, abends gemeinsames Nudelessen mit den beiden befreundeten Reisenden Caro und Karl. Am 15. morgens Blick in den Spiegel: face the fear, am selben Tag brach ich auf und nahm die Steigung langsam und geduldig in Angriff. Sieben Stunden bis zur bolivianischen Grenze, weitere zwei zum höchsten Pass auf 4923m. Ich kämpfte mich durch den heftigen Gegenwind auf der weiten Mondlandschaft, als neben mir ein Jeep hielt: Do you want a ride? Die Aussicht, noch heute die argentinische Grenze zu erreichen, gefiel mir. Ich nahm an. Die beiden Ingenieure Ashish und Lénard hatten gerade nach Jahr und Tag den deutschen Beitrag zum Alma-Projekt fertiggestellt, dem derzeit größten Radioteleskop der Welt, mitten in der Atacama-Wüste. Ich wünsche ihnen eine gute Heimkehr!
An der argentinischen Grenze, dem Paso Jama, begrüßte mich wohltuend ein milder Luftzug, nach der beißenden Trockenheit eine angenehme Feuchtigkeit, die sich allerdings am Nachmittag des nächsten Tages in einen heftigen Hagelsturm verwandelte. In Argentinien hatte die Regenzeit begonnnen, und alle meine Zeltnächte wurden von fernen und nicht so fernen Blitzen am Horizont begleitet. Ich durchquerte ausgetrocknete Hügellandschaften, rötliche Erosionsformationen, kaktusbewachsene Fels-Schluchten, die ausgestreckten Ebenen der Salinas de Olaroz und der Salinas Grandes, der größten industriellen Salzproduktion der Provinz Jujuy – doch nach 270km hatte ich den Eindruck, wieder lange genug auf Asphalt gefahren zu sein; ich schlug mich für zweieinhalb Tage auf Nebenstraßen ins argentinische Hinterland: Puna-Landschaften am Fuß des Volcán Chañi, Begegnungen mit scheuen Schafhirten, die mir in ihren einfachen Erdbehausungen frischen Käse verkauften, geisterhaft verlassene Fincas, und immer das vom nachmittäglichen Südost-Sturm gebeugte gelbliche, zähe Steppengras in der öden Kargheit. Man kann sich kaum meine Freude und Dankbarkeit vorstellen, als ich nach mehr als zwei Monaten im Altiplano erstmals wieder zartes Grün sah, erstmals wieder Vogelgezwitscher hörte: die Ruta 51 trug mich in mildem Sommerregen durch die von grillenden Familien bevölkerten Isarauen des Río Rosario, Allgäu-Landschaften, Erinnerungen an meine geliebten Münchner Hausberge – zurück ins Leben.
In den frühen Nachmittagsstunden erreichte ich nach 508km, 40,5 Stunden und 4325 Höhenmetern Salta.