freedom - sk '13

Von der Sehnsucht

Morgen, in genau 29 Stunden, werde ich, so Lufthansa will und nicht weiter streikt, in Bogotá gelandet sein. Ich war noch nie in Südamerika, und weiß nicht genau, was mich dort erwartet, weiß auch nicht genau, was ich dort erwarte. Aber ich weiß, daß eine für mich wichtige Zeit vor mir liegt. In den kommenden acht Monaten möchte ich diesen ‚magischen Kontinent‘ durchqueren: von Bogotá nach Cartagena an der atlantischen Küste Kolumbiens, von Quito in Ecuador durch tropischen Dschungel, durch die verwunschenen Inka-Täler in den peruanischen Kordilleren, durch das Hochland Boliviens über endlose Salzseen und vergletscherte Vulkane, an die wilde Küste Chiles und schließlich über die Anden durch die Einsamkeit Nordpatagoniens und der argentinischen Pampa nach Buenos Aires. Etwa 11.000km mit dem Fahrrad.

Natürlich frage ich mich, immer dringlicher je konkreter das Vorhaben wurde und je näher nun die Abreise rückt, ob das in meinem Leben die richtigen Weichenstellungen sind. Ich erinnere mich, wie ich eines Tages aus dem verglasten Büro meiner letzten Arbeitsstelle auf den Parkplatz hinuntersah. In diesem Moment habe ich mir die Frage gestellt, ob ich die nächsten fünf Jahre meines Lebens dafür geben würde, in einem Firmenwagen auf das Firmengelände fahren zu dürfen. Ich stellte mir vor, wie ich komfortabel mein Leben in den vorbeiziehenden Jahren einrichten würde, aber ich spürte deutlich, daß mir etwas fehlen würde, hatte das Gefühl, da müsse noch mehr sein, mehr kommen, das Gefühl, mit der Lebensphase des Möglichkeits-Denkens und der Neuentdeckungen noch nicht abgeschlossen zu haben. Ich denke, es ist auch dieser Wunsch, dem Leben wieder näher zu sein, wieder in der Frische des Neuanfangs, Zeit mit mir selbst zu eigener Klarheit zu haben, der mich neben der Faszination für die gewaltigen Landschaften Südamerikas dorthin zieht. Der mich drängt, für einige Zeit die lieben Menschen, die mich umgeben, in deren Mitte ich mich sicher und wohl fühle, zu verlassen, den bequemen Komfort gegen die Einfachheit der Landstraße zu vertauschen. Gegen die Unabhängigkeit und Direktheit der Erfahrung, die einem das Fahrrad ermöglicht. Das Leben etwas leichter, spielerischer auch, zu leben.

Für Bogotá sind in den nächsten Tagen Gewitter und Regenfälle angekündigt. Hier bleibt in den letzten Vorbereitungen noch so vieles so unfertig liegen.

„Stay hungry! Stay foolish!“ Und: do well!