Kategorie-Archiv: Vivencias

La Corrida

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Das kleine Dorf Tulgo durchquerte ich gerade zum fulminanten Abschluß des Festes der Virgen de la Misericordia – im Kreis einfacher Holzaufbauten fand eine Corrida statt:
Ein Tanz in Staub und Licht, ein ernstes Spiel von ergreifender Eleganz, in seiner vibrierenden Energie, seinem Ringen und Schmerz ein Abbild des Lebens und seiner prekären Verletzlichkeit. Leidenschaftslos, eher wie ein natürliches Ritual, tötete der Torrero den letzten der vier Stiere mit einem Stoß seines Degens in den Schulterbereich, erst beim fünften Versuch und unter den entrüsteten Rufen der Menge: que no le hagas sufrir! Das Tier knickte stumm in den Vorderhufen ein und sank in den Staub.
Ich radelte noch am gleichen Abend weiter nach Mollebamba.

Las Minas

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Nach Huamachuco ging der Weg bald in eine staubige Sandbahn über, durchsetzt mit grobem Schotter. Sobald diese Piste etwas ansteilt, dreht das Hinterrad im Leeren; Abfahrten werden zur Rutschpartie. Diese Verhältnisse reduzierten meine Tagesleistung in den folgenden Tagen bis Pallasca auf 30-40 hart erkämpfte Kilometer in Höhen von 3000-4000m.
Mein erstes Nachtlager war ein Haus in den Bergen, mit Latrine und Fußboden aus festgestampfter Erde, und einer Familie von herzlicher Gastlichkeit. Zugleich beherbergte sie Transporteure von Explosivgut, die ihre Lastzüge in einer Art Wagenburg vor dem Haus verkeilt hatten; nachts patrouillierten in wechselnder Schicht vier schwer bewaffnete Soldaten – ich habe wahrscheinlich noch nie so gut bewacht geschlafen.
Der Sprengstoff war für eine der vielen Gold-, Silber- und Kupferminen bestimmt, die ich am nächsten Tag passierte. Ganze Berge der Umgebung sind terrassiert freigelegt. Man muß dazu wissen, daß 60 Prozent der peruanischen Exporte auf die Minenindustrie (Zahlen von 2005) entfallen, 8 Prozent auf landwirtschaftliche Exporte. Anders als in Ecuador sind viele der Minen noch im Besitz lokaler Kooperativen.

Huamachuco

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In Huamachuco hatte ich durch den Kontakt einer befreundeten Familie in Deutschland Gelegenheit, die Escuela Democratica zu besuchen. Diese Schule verfolgt ein interessantes Konzept: die derzeit 25 Kinder zwischen 6 und 11 Jahren wechseln frei zwischen verschiedenen „Lernstationen“, mit Lehrern besetzten Tischen, hin und her, basteln oder spielen Fußball. Ich lernte Sechsjährige kennen, die bereits lasen und einige Worte Englisch beherrschten.
Weiterhin suchte ich wegen fortwährender gesundheitlicher Beschwerden ein medizinisches Labor auf: Einzeller waren monatelang meinen antibiotischen Attacken entkommen. Jetzt werden andere Geschütze aufgefahren…

Über hohe Berge

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Es war gut, nach den Tagen in den Wanderstiefeln wieder auf dem Rad zu sitzen. Es wurden lange Tage intensiver Eindrücke, Tage im schroffen Auf und Ab einsamer Bergpässe, Tage in Wolken und Sonne, Tage ganz mit mir selbst.
Das stetig ansteigende Tal des Utcubamba bei Leymebamba verlassend, schraubte sich die Straße in weiten Schwüngen hinauf in die kargen Höhen der Cordillera Calla Calla. Die peruanischen Bergstraßen sind viel gnädiger, weniger steil angelegt als die ecuatorianischen und zirkeln demütig die Hanglagen aus. Zuverlässig trug mich die Kraft meiner Beine aufwärts. Nur die einfallende Dämmerung stoppte mich auf 2700m, wo ich in einer Senke der sanft gewellten Weideflächen das Zelt aufschlug. Trotz der grau-rötlich drohenden Wolken blieb die Nacht trocken, wenn auch frisch; erst am nächsten Morgen begleitete der Regen meinen weiteren Aufstieg. Vereinzelt zeigten sich in dem dichten Nebel die schemenhaften Gestalten von leuchtend rot und blau gekleideten Milchbäuerinnen. Bei windigen 5°C überquerte ich den Pass auf 3600m und tauchte bald darauf unter der Wolkendecke hervor. Mir öffnete sich ein atemberaubender Ausblick: rostbraune Bergrücken, besprenkelt mit Sonnenflecken, in der Ferne blau-weiß leuchtende gewaltige Bergketten. Es war eine 30km lange Abfahrt auf einer schmalen, ungesicherten, aber glücklicherweise kaum befahrenen Straße ins tief eingeschnittene Tal meines alten Bekannten Río Marañon. Nach der Brücke bei Balsas auf 950m ü.M. dann bei nachmittäglichen 35°C der Gegenanstieg durch Fels und trockene Kakteenhaine. Das von einem zentralen Kanal bewässerte grüne Mittelband des Bergs war hier allerdings intensiv bestellt und gleichmäßig besiedelt; erst gegen 19Uhr in der Dunkelheit, nach 10,5h im Sattel (davon 2h photographierend), fand ich neben einem kleinen Pfad einen ebenen Platz im Gesträuch für das Zelt.
Früh um halb acht war ich bereits wieder auf der Erdpiste, doch die Sonne holte mich bald ein. Für meine letzten 3Soles Bargeldreserven kaufte ich eine Flasche Wasser gegen den brennenden Durst, und erklomm den letzten Pass auf 3000m vor der Provinzhauptstadt Celendin. Unter dem blauen Himmel grüßte noch einmal die bewältigte Cordillera, auf der anderen Seite 300m unter mir die Stadt, und ich hatte unvermittelt das Gefühl, mit mir und der Welt ganz im reinen, im richtigen Projekt zu sein.
Ich verbrachte anderthalb entspannte Tage in Celendin, mit frischem Geld schlendernd auf dem Markt, zwischen Frucht-, Saft-, Gebäck- und Gemüseständen nach der frugalen Brot- und Bananenkost der zurückliegenden Tage meinen großen Hunger stillend. Zum ersten Mal sah ich hier die für die Region typische Hutmode.
Mit regenerierten Reserven und repariertem Schutzblech und Vorderlicht fuhr ich weiter nach Cajamarca, die Hauptstadt des gleichnamigen Departamentos: durch schweizerisch anmutende Hügellandschaft bis zum Pass auf 3750m, dann auf rauhem Schotter wieder abwärts auf 2750m. Im Dämmerlicht durchquerte ich nach Encanada eine Hochebene von unvergleichlicher Zartheit, am Rand der pfeilgeraden Straße still sitzende Frauengestalten, ruhig wartend auf Nichts. Gegen 19Uhr war ich im Verkehrschaos der trostlosen Stadteinfahrt. Noch immer scheint hier das brutale Gemetzel spürbar, in dem die wortbrüchigen Konquistadoren 1532 unter Pizarro 5000 Inkas und den letzten Inkakönig Atahualpa hinrichteten.
Seit Bagua Grande hatte ich 447km und 7900 Höhenmeter zurückgelegt.

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Ancient Witnesses

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After 60km of comfortable cycling in the valley of Río Utcubamba, I arrived in the early afternoon Tingo, the „basecamp“ for visits of Kuélap, the famous fortress of the ancient Chachapoyas culture. This culture dominated the Amazonas region from 800 to about 1300 AD when the Incas conquered, assimilated and transformed it. Its main residues are round stone towers, the Kuélap site itself counts about 450 remaining ruins, living space for about 3000 persons.
It was already too late for the climb to the mountain top at 3000m, so I visited the ruins of Macro instead: a rather well-conserved settlement at a steep mountain side whose location was indicated to me by my landlord Luis. A wild river crossing, no signs at all, just a small path traversing cactus groves to these completely relinquished ruins. Eye-catching the typical decorations, proving an amazing sense of proportion. Walking around, I spotted little caverns in the hillslope: as later explained to me, these served as tombs, but some of them as well as tunnels to the other hill side.
Early the next morning, before sunrise, I set off for the 2,5 hours climb by 1200m to the main archaeological site. I won’t ever forget the moment when out of the clouds the main fortress wall appeared. Apart from the lonely guard, there was no one else, and I enjoyed three hours of absolute silence, alone with the wind and the stones, surrounded by red, steep rugged mountains covered by sunny spots. Nature had recaptured the site where formerly life with all its placeres y sufrimientos took place, living towers, assembly houses, market place, and a seemingly quite elaborated water infrastructure (el tintero). The work of generations, carving stones and stacking them with a paste of loam, sand, chalk and the juice of tuna, a cactus plant. I stood wondering what will be left in a thousand years of our sophisticated civilisation.

High Falls

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I’ve just arrived in the right moment: the next day was the excursion of the tourism cooperativa Caretur to the Catarata de Yumbilla, one of the five highest waterfalls of the world.
Together with Ron and a german-american couple volunteering for the Amazon Waterfalls Association (see there for further information on the waterfall), I was the only „westerner“ among 50 locals; we passed a great time together on the three hours walk: some knew all about eatable plants in the wood, and I tried the delicious berry Mosgal and Agrillo, a type of sorrel (Sauerampfer). The waterfall was impressive: a high fall (in total 895m) and then a little stream dripping over the edge of a richly coloured basin.
With welcoming hospitality we were invited to almuerzo in the mountain village Cuispes afterwards and to the vivid feedback discussion.
The Catarata de Gocta, which I went to see in a 1,5 hours walk through thick forest the next afternoon, is still more famous and has a different character: falling in two drops, the upper one a torrential stream, the lower one a mild curtain of mist in ever changing formations. I watched the fascinating structures for one hour until dawn and spent the night in a family’s home in Cocachimba.

Days off in Bagua Grande

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Entkräftet sank ich ins Bett. Ich sollte es für die kommenden 32 Stunden nicht mehr verlassen.
In Stunde 24 schlug endlich das eingenommene Antibiotikum an, stillte das lähmende Fieber, linderte den Schmerz meiner geschwollenen Mandeln. Ich spürte, wie von Stunde zu Stunde die Energie in meinen Körper zurückströmte. Die beiden folgenden Genesungstage taten mir wohl, zwischen den Fruchtsaftständen der Kleinstadt schlendernd, lesend, nachdenkend. An einem Abend lernte ich Juan und Martin kennen, die beiden hingebungsvollen Lehrer der escuela christiana de liderazgo, einer privat getragenen Bildungsinitiative mit Abendkursen in Recht, Ökonomie (des freien Marktes) und Philosophie; ihrer Einladung zu einem Gastbeitrag konnte ich nicht widerstehen. So fand ich mich gestern Abend mit einem kurzerhand vorbereiteten Vortrag einer kleinen Gruppe von Gymnasiasten gegenüber, eine gute Stunde später nochmals einem noch um 22Uhr gut besuchten Gemeindesaal. Ich sprach über die Struktur der deutschen Wirtschaft, über die Hartz-Reformen von 2005, über die deutsche Außenhandelsbilanz, die dritthöchste weltweit (USA? Mit minus 561 Milliarden Dollar unter den Schlußlichtern: die USA werden den Dollar stark abwerten…). Ich gestehe, daß nie eines meiner Referate, auch nicht in der Münchner Fächerfakultät, mit einem solchen geradezu beschämenden Respekt und Interesse aufgenommen worden war. Mit Händeschütteln wurde ich von jedem einzelnen Zuhörer verabschiedet; in Juan und Martin habe ich zwei Freunde gewonnen, denen ich mit ihrem ambitionierten Projekt alles Gute wünche.
Heute bin ich Richtung Chachapoyas weitergeradelt, im tief eingeschnittenen Tal bei 40°C stetig ansteigend zu angenehmeren Temperaturen. Nach einer Schotterkurve begegnete ich drei als Sicherheitsleuten verkleideten Männern, die für ihre vorgebliche Leistung Wegegeld einforderten. Wie einige ebenfalls gestoppte Autos gab ich ihnen einige Soles und setzte meinen Weg nach Pedro Ruiz ungestört fort. Dort traf ich in den Abendstunden — Ron wieder.

Durch das peruanische Hinterland

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Wir starteten in der Mittagshitze aus dem festlich geschmückten Grenzdorf Namballe mit einem langen Anstieg von 700m auf 1600m; nach der Woche auf Schotter wußten wir den Asphaltbelag zu schätzen. Ein letztes Mal grüßten die ecuatorianischen Berge in der Ferne, bevor uns Peru mit großer Herzlichkeit aufnahm: eine Frau lief auf uns zu und schenkte Bananen, Passanten riefen bienvenido gringos! Beschwingt erreichten wir abends San Ignacio.
Mein Mitfahrer Ron entschwand wie er gekommen war: ich unterhielt mich am nächsten Morgen mit einer anmutigen Kindergruppe am Wegesrand, schuhlos aber mit strahlenden Gesichtern, optimistisch und von einer rührenden Wißbegierde, während Ron weiterfuhr. Nach einigen Kilometern geriet ich in die 40minütige Warteschleife einer Baustelle; Ron ward nicht mehr gesehen… Es war eine lange Schotter-Abfahrt ins Tal des Mayo, eines breiten Stroms, der entlang des Uferbandes zur Bewässerung ausgedehnter, leuchtend grüner Reisfelder in dem sonst heißen ariden Klima verwendet wird. Die Bewohner kleiner, durch Schiffsbrücken mit der Schotterstraße verbundener Dörfer badeten und fischten, Bauarbeiter langer Bauabschnitte grüßten lachend, Felder wiegten ihre grünen Halme im Wind, Sonnenlicht färbte kantig strukturierten Fels erst golden dann rot, bis ich nach Tamburapa kam: ein Straßendorf, dessen Häuser noch keinen Stromanschluß haben, das am nächsten Morgen temporär auch von der Wasserversorgung abgeschnitten war. Ein ruhiges einfaches Leben mit dem natürlichen Wechsel von Licht und Dunkelheit, das ich dank der liebenswürdigen Einladung meines Herbergsvaters Grimaldo für einen Tag und eine weitere Nacht teilen durfte.
Eine auffiebernde Mandelinfektion und die Erschöpfung meiner Bargeldreserven trieben mich weiter: ich passierte die Hauptstadt Jaen der gleichnamigen Provinz, der ich keine Gelegenheit geben wollte, ihrem Ruf gewaltsamer Straßenkriminalität gerecht zu werden, und gelangte am späten Nachmittag nach Chamayo auf nur 450m ü.n.N. Wider Erwarten bestand dieser Ort aus nicht mehr als einigen staubigen Häusern an der Kreuzung der Straße zur Küste, nach Chiclayo, und in den Oriente, nach Tarapoto. Was tun? Ich konnte meinem fiebrigen Zustand keine Nacht im Zelt zumuten; es blieb mir nichts anderes übrig, als die 50km zur nächstgrößeren Stadt, Bagua Grande, weiterzuradeln. Es wurde eine der eindrucksvollsten und aufreibendsten Etappen meiner Reise.
Die Straße folgte dem Wüstental des jungen Marañon, dem Fluß, der das gesamte Departamento Amazonas durchquert, und dann zusammen mit dem Ucayali den Amazonas bildet. Ich tauchte ein in die flirrende Hitze trockener 40°C, das unwirkliche türkise Band des Flußes inmitten einer Symphonie von Brauntönen, karge Steinlandschaft und einige verlassene Kakteen unter blauem Himmel und kreisenden gallinasos, absolute Stille, nur das Geräusch der auf Asphalt rollenden Reifen und der heiße Wind im Gesicht. Dann weiches Sonnenlicht auf Savannenbewuchs, eine in Wellen ansteigende, schnurgerade Straße, später vollmonderhellte Dunkelheit. Ich spürte, daß ich fiebrig auf meinen letzten Energiereserven fuhr. The race is not always to the swift but to those who keep on running. Gegen 19.45 erreichte ich Bagua Grande und steuerte das erste Hostel an, das ich fand.
MapBaguaGrande
Courtesy of Reise KnowHow